Blog | 3. April 2023

Wir sind dem Ruf gefolgt – meine Freundin und ich. Dem Ruf der grossen, weiten Welt – der Grenzen sprengt, die der Alltag täglich zieht und der uns an dem Ort arbeiten lässt, an dem andere Ferien machen. Wir nutzen damit das Benefit «Digital Nomade» unserer progressiven Arbeitgeber.

Verfasst von: Madeleine Grawehr

Wie kommt es, dass wir uns heute überhaupt zu digitalen Nomaden entwickeln wollen? Es ist die Freude am Experimentieren, am Kennenlernen einer neuen Kultur, der Wunsch aus der gewohnten Umgebung auszubrechen, der Hunger nach neuen Erfahrungen. Es ist das Testen eines alternativen Lebensentwurfs, das Entwickeln von Kreativität, das Nutzen der technologischen Möglichkeiten.

Doch nicht alle streben nach Nomadentum. Die Nomaden in der Mongolei beispielsweise verfolgen ein primäres Lebensziel, sesshaft zu werden. Der für sie erstrebenswerte Entwicklungspfad ist folgender: Sie beginnen meist mit einer einfachen Jurte in der Wüste Gobi. Dieser Jurte folgen weitere Jurten, bis hin zur Jurtenstädte. Ziel ist ein Stück Land in Ulan Bator und schliesslich ein Haus auf diesem Stückchen Land. Sesshaft werden – Das ist Ausdruck des Wohlstands für den Mongolen.

Wir selbst aber haben längst Wohlstand erreicht, sind bereits auf einer hohen Stufe der «Bedürfnispyramide» angelangt, entscheiden uns bewusst für ein Leben als Wandernde, für ein Leben in Bewegung, für die Rolle als digitale Nomaden. Und damit entscheiden wir entgegen unserem ursprünglichen Entwicklungstrieb, uns niederzulassen und Heimat zu finden. Als digitaler Nomade unterwegs zu sein, ist heute Ausdruck von Selbstverwirklichung und purer Luxus. Gleichzeitig ist es ein Statement und eine Hinwendung zu unseren Ursprüngen als Reisende.

Und so können wir uns fragen: Ist der «Digitale Nomade» ein Lebensentwurf, eine Lebensphase oder ein Lifestyle? Wir erleben «live» vor Ort, wie diese Art des Arbeitens extrem gehypt wird. Da treffen sich junge Influencer mit digitalen Nomaden – häufig aus dem Product Management oder auch aus Start-ups – und verbringen ihre Nachmittage mit aufgeklapptem Bildschirm und vor einem Matcha Tee sitzend im Coffeeshop. Der digitale Nomade wird – wie der Veganismus – zelebriert als etwas «hippiehaftes» und scheint auf den ersten Blick sehr selbstbestimmt. Demgegenüber stehen die Schattenseiten, wie wir aus Gesprächen mit Menschen erfahren, die länger als digitale Nomaden unterwegs sind: Oberflächliche, unverbindliche Beziehungen, ein Gefühl «nie anzukommen» und ein Leben auf Durchreise zu führen.

Der Duft der Freiheit, die Unabhängigkeit, neue Formen der Mobilität und der «fresh n’ funky»-Faktor zahlen ganz bestimmt auf das unerreichte Traumbild des digitalen Nomaden ein. Unfrei fühlt man sich nur dann, wenn kein Strom vorhanden ist, das WiFi streikt oder der Akku nicht lädt.

Heutzutage sind Arbeitgeber, welche Programme wie den digitalen Nomaden anbieten, sogenannte «Early Adopters». Sie haben einen Trend frühzeitig erkannt und entsprechen mit ihren Angeboten einer grossen Nachfrage seitens Kandidierenden und Arbeitnehmenden. Es sind Benefits, die attraktiv sind, eine Differenzierung ermöglichen und ganz unterschiedliche Menschen begeistern.

Schätzungsweise wird der Zauber dieser Benefits – die auch nicht für alle Firmen aufgrund ihrer Struktur gleichermassen umsetzbar sind – in 2 Jahren verflogen und solche Programme «state of the art» sein.

Der digitale Nomade wird sich etablieren und mittelfristig werden globale Erleichterungen und Länderabkommen geschaffen werden, welche die Durchlässigkeit im Transfer und damit die Reisefreude erhöhen. Es werden auch die letzten bürokratischen Hürden für die Freiheit niedergerissen, selbstbestimmt dort arbeiten zu können, wo man sich wohlfühlt. Dazu gehören vereinfachte Verfahren bezüglich Besteuerung und Versicherungen der Reisenden, wie beispielsweise Sozialversicherungen. Arbeitsverhältnisse werden «grenzenlos» und Mitarbeitende werden zu «globalem Personal» mit Freelancing-Charakter.

Und welche Entwicklungsstufe kommt in einigen Dekaden nach dem «global tätigen Personal», das seine Arbeitsleistung dort erbringt, wo es diese selbst für zielführend erachtet? Visionär sehen wir, dass die aktuelle KI-Entwicklung vor allem einen HR-Trend ordentlich befeuert: Die «Mitarbeitenden-freie Organisation».

Die “Mitarbeitenden-freie Organisation” wird dadurch definiert, dass sie keine Mitarbeitenden mehr hat. Sie wird einzig durch autonome künstliche Intelligenz gesteuert, die Jahre zuvor von den Mitarbeitenden der Firma trainiert und auf den Markt ausgerichtet wurde. Infolgedessen brauchen diese Mitarbeitenden keine digitalen Nomaden mehr zu sein. Sie haben für immer Ferien. Sie können sein, wo sie wollen. Am Strand. Beim Bummeln in der Stadt. Beim Italiener an der Ecke. Im Wald. Beim Sport. Beim Baden im Meer. In der Eisbar. Es braucht sie im Arbeitsleben keiner mehr. Sie haben ihre Aufgabe längst erfüllt.

Praktische Empfehlungen zur Umsetzung des Konzepts «Digitaler Nomade»:

  • Das Konzept des digitalen Nomaden passt nicht in jeden Lebensentwurf oder jede Lebensphase. Die aktuelle Lebenssituation mit Familie, Partner, Haustieren oder Wohnsituation können Hindernisse darstellen.
  • Es macht einen grossen Unterschied, ob man alleine oder in Gesellschaft arbeitet oder reist. Und es dürfte eine gewisse Herausforderung darstellen, einen Peer für die Reise zu finden, der «passt».
  • Es empfiehlt sich eine klare Tagesstruktur mit kommunizierten Erreichbarkeiten, beispielsweise von 8-12 Uhr arbeiten und am Nachmittag dann das entspannte Ausklinken bzw. Abgrenzen und Geniessen des Kontrastprogramms: Flanieren am Strand oder kulinarische Höhenflüge oder gleich beides, je nach Geschmack.
  • Das Programm «Digitaler Nomade» ist gut praktizierbar in Ländern mit keiner bis wenig Zeitverschiebung.
  • Es gibt Dinge, von denen man vor Ort denkt: «Das ist so schön im Büro.» Nebst den Kolleginnen und Kollegen die fehlen, können das beispielsweise der «gelenkige» Bürostuhl oder auch der grosse Bildschirm sein. Dinge, die sich bei längerem Aufenthalt wohl zu beschaffen lohnen – ja, auch die «Arbeitsgespänli».😉
  • Es hilft, zwei Akkuladegeräte wie auch eine starke externe Charging-Box dabeizuhaben. Nicht zu vergessen: Den für das jeweilige Land passende Netzadapter.
  • Bucht Air BnB: Das Angebot ist einfach überwältigend und es gibt – zumindest für die Autorin – wenig spannenderes, als fremde Bibliotheken zu sehen und sich zu überlegen, was für eine Person diesen temporären Aufenthaltsort stellt.

Liebe CSPler

Ich möchte euch ans Herz legen, euch auszuprobieren in der Rolle als digitale Nomaden.

Selten erfährt ihr mehr über euch selbst; Wie ihr in einem komplett neuen Setting funktioniert, wie ihr improvisiert, eure Emotionen managt, Spannung aushält und in die Entspannung kommt. Ihr prüft eure mentale Beweglichkeit, bekommt ganz viele Impulse und Stimuli, wagt Grenzgänge.

Und nicht zuletzt ist es auch eine ganz sinnliche Erfahrung: Unterschiedliche Düfte, Kulinarik, Farben, Materialien, Texturen, Sprachen, andere Temperaturen, Lichteinfälle, andere Winde.

In einer völlig neuen Umgebung «lernt das Hirn»: Neue Synapsen bilden sich und ihr kommt auf jeden Fall inspiriert, besonnener und mit vielen neuen Erfahrungen im Gepäck, zurück. Und – das finde ich ganz wertvoll: Ihr «fühlt Ferien», bleibt konstant im Arbeitsrhythmus und regeneriert, entgeht aber dem «End of the holiday blues».

Liebe CSP – tausend Dank, für diese Erfahrung und die Möglichkeit, dieses Erlebnis «Digital Nomade» als Benefit allen unseren Mitarbeitenden anzubieten!