Blog | 16. Oktober 2023

Zu viele Köche für den Brei?

Verfasst von: Lukas Bieri

Selbstorganisation ist im «Zeitalter» der Agilität in aller (Führungs-)Munde. «Klug ist, wer selbstorganisiert ist.» So lassen sich moderne Management-Bibeln lesen. Schliesslich leben wir in der VUCA-Welt. Komplexität und ständige Veränderung verlangen Agilität. Also los, setzt um, liebe Führungsleute. Akzeptiert, dass das klassische «Command and Control» ausgedient hat.  

Der Chef als Coach, die Chefin als Enabler von sich selbst organisierenden, selbst motivierten Teams und Leuten. Ich meine, das tönt verlockend. Warum aber haben nicht schon alle Chefs auf Selbstorganisation umgestellt, wenn es doch die Spatzen von den Dächern pfeifen? 

Wir von der CSP wissen es aus eigener Erfahrung: Ganz so einfach ist die Sache mit der Umstellung (oder Einstellung?) zur Selbstorganisation nicht. Auch wenn es gelingt, ein cleveres Organigramm zu zeichnen und klar zu beschreiben, wie es sein soll: Es gibt da so manche Puzzle-Teile, die zusammenpassen müssen, damit die (geführte) Selbstorganisation so richtig abheben kann. Wir haben gelernt, frei nach Aesop: Auch selbstorganisierte Schwalben machen noch keinen Führungs-Sommer.  

Man könnte meinen, in der Selbstorganisations-Würze liege die (Ein-)Führungskürze. Bloss stellt sich die Frage nach der optimalen Zusammensetzung dieser Würze. Und es interessiert natürlich auch die Zubereitung des Würzgerichts.  

Ingredienzen  

Umfeld, Führung und Menschen – diese Elemente bestimmen das Rezept zur Erreichung von Agilität, hin zur geführten Selbstorganisation. 

  • Das Umfeld, will heissen, die Organisation an sich, bestimmt, wie weit selbstverantwortete Teams möglich, gewollt oder sogar gefördert werden. Wir nennen das auch den organisatorischen Anreiz. Inwieweit lässt das eigentliche Geschäftsmodell mit all seinen Gegebenheiten die lange Führungsleine überhaupt zu? Oder wie weit gibt es eine implizite Logik in der Organisation, welche sowieso zur guten Agilität verleitet? Kultur und Werte spielen hier eine grosse Rolle. Sie sind ein wesentlicher Faktor, der die Umsetzungs-Zeit bestimmt.

  • Die dominante Duftnote im Rezept (und für die Zubereitung selbst) bilden die Führungsleute. Je stärker die Selbstorganisations-Würze, umso wichtiger und unabdingbarer die Führungsverantwortung (siehe auch Blog Nr. 1). Ein hierarchisches Führungsverständnis harmoniert sehr schlecht mit dem Gusto einer Selbstorganisation. Delegiere ich als Führungsperson vor allem Aufgaben oder strebe ich danach, Verantwortung abzugeben? Zwei unterschiedliche Paar Schuhe, deren Wechsel zu vielen Blasen führen kann. Die Führungs-Schuster dürfen selbst nicht einfach bei ihren Leisten bleiben – die Selbstorganisation entwickeln heisst auch, die Führung zu entwickeln.  
  • Das Fleisch am Knochen einer Organisation bilden die Menschen – sie sind die Muskeln und der eigentliche Bewegungsapparat. Durch Gruppenerfolg motivierte Teamplayer sind die Filetstücke einer agilen, unternehmerischen Organisation. Einzelkämpfer und auf Arbeit wartende Fleissarbeiter bleiben vielleicht attraktiv, geben der Selbstorganisation aber kaum den nötigen Pfiff. Auch hier ist Entwicklungswille Bedingung zum Gelingen. Verantwortungsübernahme ist gefragt, für sich, für das Team. Selbstorganisation bedeutet schliesslich: Viele Köche verzücken den Brei! 

Zubereitung 

Ein gutes Mise en Place hilft allen Köchen bei der Zubereitung der Geführten Selbstorganisation. So vielfältig die Grundzutaten, so mannigfaltig jedoch dann die Zubereitungsformen. Wie bei einer gelungenen Assemblage geht es auch bei der «Agilisierung» einer Organisation darum, eine raffinierte, sensible, möglichst ausgewogene Kombination der Ingredienzen zu finden – was mit so einigen Versuchen und Optimierungen einhergehen wird.  

Wir empfehlen bei der Suche nach der organisationsspezifisch richtigen Rezeptur auch mal so richtig Mut walten zu lassen. Das Ziel Selbstorganisation ist auch der Weg. Ganz am Anfang steht der organisatorische Entscheid, in Richtung geführte Selbstorganisation zu gehen. Je klarer dieser Entscheid gefällt wird, umso einfacher – vielleicht sogar selbstorganisierter – wird der dazugehörige Weg und damit die Zubereitung der Selbstorganisations-Würze.  

Es bleibt das Abschmecken. Wie der Name schon sagt, und wie in jedem Rezept geschrieben, ist das Geschmackssache. Aber Vorsicht: Allzu viel Salz in der Suppe wird nicht immer als Verliebtheit des Kochs interpretiert! 

CSPimpuls – Selbstorganisation braucht Führung – Ein Paradox?

Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe CSPimpuls zeigen wir die Wechselwirkung von Selbstorganisation und Führung auf und diskutieren mit Ihnen mögliche Ansätze, um daraus die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Einführung von Selbstorganisation zu schaffen.