Blog | 24. Mai 2023

Das Management eines Projektportfolios ist für alle Unternehmen, welche ein paar Projekte gleichzeitig stemmen, eine Selbstverständlichkeit. Bei manchen verlaufen die dazu notwendigen Entscheidungen intuitiv in den Köpfen Einzelner, bei manchen bestehen ausgeklügelte Prozesse, Methoden und Tools. Wann ist was der richtige Ansatz?

Verfasst von: Lukas Bieri

Irgendwie machen alle Projektportfolio-Management (PPM). Machen wir die Probe aufs Exempel mit einem Alleswisser (ChatGPT):

Tatsächlich. Auch wenn da ein paar Annahmen mitschwingen, darf resümiert werden: Sobald man mehrere Projekte miteinander umsetzen will, hat man mit Projektportfolio-Management (PPM) zu tun. Und wie von ChatGPT ebenfalls angetönt, ist anzunehmen, dass es Führungssituationen gibt, die durchaus ein strukturiertes, nachvollziehbares Herleiten von Entscheiden erwarten lassen.

Mit etwas Interpretation kann man der Automaten-Antwort gar entnehmen, dass es bei komplexen Portfolioentscheiden empfehlenswert ist, nicht einzig den Bauch walten zu lassen. Vielleicht beschreibt die Chat-Antwort auch so etwas wie ein «Alpha-Tier PPM» als das eine Ende des grossen PPM-Spektrums.

So investieren viele Unternehmen etliche Jahre Entwicklung und «Full Time Equivalents» in komplexe, bis ins Detail strukturierte PPM-Entscheidungsprozesse. Es kann auch vorkommen, dass «historisch gewachsen» unzählige Gremien in die PPM-Abläufe involviert werden, um besondere Sicherheiten bei den Portfolioentscheiden zu schaffen. Diese dann etwas überstrukturiert wirkenden Management-Systeme wurden auch schon mal mit «Gremitis PPM» bezeichnet – gewissermassen das andere Ende des PPM-Spektrums?

So fragt man sich: Was ist denn das Richtige? Welches PPM ist wann sinnvoll?

Nein, hier gibt ein Versuch mit dem Chatroboter keine brauchbare Antwort. Aus gutem Grund, denn die Antwort ist vielschichtig und kompliziert. Aber schälen wir 5 Hauptfaktoren heraus:

1. Führungsstil

Die Institutionalisierung des Projektportfolio-Managements baut auf dem Willen zur gemeinsamen, nachvollziehbaren Entscheidungsfindung auf. Somit hängt diese nicht unwesentlich vom Führungsstil des Managements ab.

Ein autoritärer Führungsstil ist infolgedessen im Regelfall kein optimaler Nährboden für ein weit gedeihendes PPM. Besser wachsen die PPM-Blumen, wenn vom Management ein partizipativer Führungsstil gelebt wird.

2. Geschäft

Über die PPM-Bedürfnisse entscheidet mitunter die eigentliche Ausrichtung des Unternehmens. So sieht eine v.a. aussengesteuerte Organisation den Anspruch an die Portfoliosteuerung und damit auch des PPM komplett anders als z.B. eine Entwicklungsorganisation.

Da reicht das höchste der PPM-Gefühle im ersten Fall bis vielleicht zu einer groben Ressourcenübersicht, im anderen Fall kann die Durchgängigkeit von strategischen Entscheiden bis hin zur Arbeitsverteilung jedoch matchentscheidend sein.

3. Struktur des Unternehmens

Ein PPM hat sehr viel mit der Sicherstellung von Informationsflüssen zu tun. So sind Unternehmensaufbau und Führungsstruktur wichtige Treiber, wenn es um die Frage nach dem optimalen PPM-Ausbau geht.

Ein global tätiges Unternehmen mit mehreren verteilten Wertschöpfungsketten dürfte per se wesentlich tiefer in die PPM-Schatulle greifen wollen als ein lokales, zentral geführtes, auf ein Kerngeschäft fokussiertes Unternehmen.

4. Kultur des unternehmens

Es gibt ihn nicht, DEN Business Case für die Strukturierung eines PPM. Ausschlaggebend für die Entwicklung von PPM-Strukturen ist daher vor allem die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit und der Tragweite von Fehlentscheiden im Management. Und so landen wir beim Faktor Unternehmenskultur.

Eine Organisation mit einer hohen Risikoaversion oder einem hohen Rechtfertigungsdruck für gefällte Entscheide (z.B. Organisationen der öffentlichen Verwaltung) setzt eher auf durchdachte, ineinandergreifende PPM-Prozesse als dies bei einem «Try-and-Error» geprägten Unternehmen (z.B. ein Startup) der Fall ist. Was übrigens auch erklärt, warum sich die PPM-Ansprüche im Laufe der Zeit auch mehr oder weniger rasch verändern können. Eher rasch beispielsweise dann, wenn es zu Wechseln in der Führungsetage kommt. (Will heissen: Faktor 1 prägt Faktor 4)

5. grösse des projektportfolios

Und ja, es spielt natürlich eine Rolle, wie kompliziert Projektportfolio-Entscheide überhaupt empfunden werden. Die Anzahl der Projekte beeinflusst dabei den Drang zur Investition in strukturierte PPM-Entscheide wesentlich.

Einen konkreten Triggerpunkt gibt es allerdings keinen, auch wenn mit einem einzigen Projekt im Portfolio kaum jemand auf die Idee eines PPM kommt. Sich ab 5-10 gleichzeitigen Projekten über PPM Gedanken zu machen, klingt bereits vernünftig. Ein Portfolio von über 20 Projekten gänzlich ohne PPM zu führen, kann durchaus schon fahrlässig sein, natürlich ganz abhängig von den anderen Faktoren.

Was? Warum? Wieviel? – Es kommt ganz drauf an.

Eine Frage drängt sich zum Ende dieses Blogbeitrags aber nun doch noch auf: Wenn schon Roboter, warum dann nicht gleich ein «KI-PPM»? Für wen würde sich das eignen?