Blog | 8. Februar 2023

Mittlerweilen kann sich kaum ein Projektteam oder ein Auftraggeber mehr leisten, das Agile Manifest nicht zu kennen und anzuwenden. Wer Projekte oder noch besser die ganze Organisation nicht nach agilen Methoden aufstellt, ist heute nicht up to date. Aber was hat sich wirklich geändert?

Verfasst von: Kurt Tschanz

Unter Agilität wird die Fähigkeit einer Organisation verstanden, sich kontinuierlich an ihre komplexe und unsichere Umwelt anzupassen. Ja, was soll denn sonst die Aufgabe einer Organisation sein? Durch neue Begriffe, Rollen und Methoden merkt man allerdings nicht gleich, dass es hier um das selbstverständliche Tagesgeschäft von Organisationen geht. Und trotzdem, bei der Anwendung agiler Werte sehen wir in unseren Projekten, dass Risiken in folgenden Bereichen zunehmen:  

  • Identität:
    Werden agile Projektteams gebildet, entwickeln diese eine eigene Identität und die ist nicht immer kompatibel mit dem Rest der Organisation. 
  • Politisierung:
    Wenn Hierarchien aufgelöst werden, dann reduziert das die unerwünschten Machtkämpfe nicht. Es verstärkt sie sogar, da jedes Mal ausgehandelt werden muss, wer was, wie und wo entscheidet. 
  • Komplexität:
    Durch das Abschaffen formaler Regeln erhöht sich die Komplexität in der Zusammenarbeit und bedarf oft neuer Rollenklärungen, um handlungsfähig zu bleiben. 

Wir halten fest, bestehende organisatorische Herausforderungen lassen sich nicht mit agilen Methoden wegwischen, einzelne Probleme werden sogar verstärkt. Und warum wollen trotzdem alle agil arbeiten? 

Der Wunsch und die Notwendigkeit im Team schneller auf sich verändernde Situationen reagieren zu können, kundenzentrierter und leistungsfähiger zu agieren sind zentrale Argumente. Agile Werte geben Orientierung, schaffen Gemeinsamkeit und die Bindung zwischen Menschen, die Neues gestalten, wird verstärkt. 

Unsere Erfahrung im Umgang mit Teams zeigt, dass erfolgreiches agiles Arbeiten, Selbstorganisation basierend auf funktionierender Kommunikation und Kooperation bedingt. Wirkungsvolle, gewaltfreie Kommunikation und bedingungslose Kooperation kommen jedoch nicht mit der Implementierung agiler Methoden frei Haus geliefert. Sie müssen durch aktive Teamentwicklung nachhaltig etabliert werden. Wichtige Themen sind die konkrete Anwendung des theoretischen Wissens über Agilität, Kommunikation und Zusammenarbeit. Aber auch die Klärung von blinden Flecken, welche agile Methoden offen lassen wie z.B. Herstellung einer adäquaten Arbeitsteilung, einen gemeinsamen Blick auf den aktuellen Arbeitsgegenstand und individuelle Entwicklungsperspektiven. Diese und weitere Massnahmen tragen zur Stärkung der Selbstorganisation bei. 

Agile Methoden haben in den letzten Jahren Entwicklungen angestossen und Veränderungen ermöglicht, die davor vielleicht keiner für möglich gehalten hat. Gleichzeitig sehen wir, dass der Hype um neue Organisationsprinzipien auch Unsicherheiten und Widerstände auslösen. Und gerade das macht unseren Job als Berater/in und Projektleiter/in so vielfältig und anspruchsvoll. Es bleibt auch in Zukunft spannend, die richtige Balance zu suchen und in jedem einzelnen Projekt aufs Neue zu erkunden, welche nächsten Schritte die Organisation in ihrer Entwicklung weiterbringt.